WÖRGLER FREIGELD EXPERIMENT

 

„Die Schaffung eines Geldes, das sich nicht horten lässt, würde zur Bildung von Eigentum in anderer wesentlicherer Form führen“

Albert Einstein (1878-1955)

 

 

Der denkwürdigen Börsencrash 1929 an der Wallstreet vernichtete Milliardenvermögen und riss die gesamte Welt in eine tiefe Wirtschaftskrise.
Als an der Wall Street eine gewaltige Spekulationsblase platzte, blieb “Der Schwarze Freitag” am 25. Oktober 1929 - für eine gewisse Zeit - das Symbol für das Ende einer grossen Illusion, von Reichtum und Wohlstand für Alle!

Auch die Gemeinde Wörgl in Tirol, ist mit 1500 Arbeitslosen, bei 4200 Einwohnern direkt davon betroffen. In dieser konfliktreichen, schwierigen Zeit, in der sowohl die Kommunen kein Geld, als auch der Staatskassen leer waren,
legte Michael Unterguggenberger als Bürgermeister, den Grundstein für das Wirtschaftsexperiment, und bescherte dem Ort hierdurch quasi ein „Wirtschaftswunder“. Inspiriert von der Freigeld-Idee von Silvio Gesell (1862 - 1930).
Gesell sah das Kernproblem des Kapitalismus in der Natur des Geldes, da es nicht wie alle anderen wirtschaftlich relevanten Güter verfault oder veraltet, sondern sich aufbewahren liess und durch den Zins auch noch an Wert gewann.

Bei der Einführung der „Arbeitswertscheine“ stellte Unterguggenberger das neue Freigeld Modell der Wörgler Bevölkerung vor:

„Langsamer Geldumlauf ist die Hauptursache der bestehenden Wirtschafslähmung. Das Geld als Tauschmittel entgleitet immer mehr den Händen der schaffenden Menschen. Es versickert in den Zinskanälen und sammelt sich in den Händen weniger Menschen, die das Geld nicht mehr dem Warenmarkt zuführen, sondern als Spekulationsmittel zurückhalten.

Das träge und langsam umlaufende Geld der Nationalbank muss im Bereich der Gemeinde Wörgl durch eine Umlaufmittel ersetzt werden, welches in seiner Bestimmung als Tauschmittel besser nachkommt als durch das übliche Geld. Da von hier aus die Welt nicht befreit werden kann, wollen wir wenigstens ein Zeichen setzen.!“

In Kooperation mit einer Gruppe einflussreicher Bewohner gründetete er einen Wohlfahrtsausschuss und leitete folgende Schritte ein:
Die Gemeinde kaufte vom Wohlfahrtsausschuss „Arbeitswertscheine“, die dann zur Bezahlung  jener Arbeiten verwendet wurden, die im Auftrag der Gemeinde geschahen.
Mit dem Ausbau der städtischen Infrasturktur (Strassen, Brücken, Wintersportanlagen) konnte so ein Grossteil der Arbeitslosen beschäftigt werden, womit  diese Ihre Lebensmittel und Waren bei lokalen Kaufleuten bezahlten, und die Händler wiederum ihre Steuern bei der Gemeinde begleichen konnten. Um die fehlende Eigenschaft des „verderbenden“ Wertscheine nachzubilden kamen Stempel zum Einsatz, die gegen Bezahlung auf die Banknote gedruckt wurden und damit ihre Gültigkeit sicherten.

Dieses Freigeld bewirkte, dass innerhalb kurzer Zeit die Hälfte der ortsansässigen Arbeitslosen eine Beschäftigung erhielt, während im gesamten Österreicherischen Raum die Arbeitlosigkeit um 20 % zunahm.

Da viele Staaten vor ähnlichen Problemen standen, fand das Wörgl Modell  grosses Interesse in Europa und Amerika.
So hielt sich Frankreichs Ministerpräsident Daladier im Sommer 1933 in Wörgl auf, um sich selbst ein Bild zu machen.
Begeistert schrieb er: "Dieses Geld hat überaus beachtenswerte Ergebnisse gezeitigt... Die Bewohner haben mir erklärt, daß sie solches Geld, das sie leben läßt, dem Goldwahn und anderen veralteten Ideen vorziehen."

Auch der  Dichter Ezra Pound reiste nach Wörgl und stellte das Experiment in den Mittelpunkt seiner dichterischen Wirtschaftskritik im LXXIV. der "Pisaner Cantos" . “…und als ein Schein der Kleinstadt Wörgl über die Theke wanderte in Innsbruck und der Bankier es wahrnahm geriet der Geldklüngel Europas aus dem Häuschen. “keiner” so sparch die Frau Bürgermeister “in diesem Dorf, der einen Artikel schreiben konnte. Wussten, dass es Geld war, doch gaben vor, es sei keins um sicher zu gehen vor dem Gesetz.”

Da die Gemeinde Wörgl mmer mehr Aufsehen erregte und viele andere Städte zur Nachahmung inspirierte, veranlasste die Regierung und die Nationlalbank in Österreich, das Verbot und den Einzug des Freigeldes 1933.

Nur 50 Kilometer von Wörgl entfernt, rief 70 Jahre später, eine Gruppe um den Wirtschaftslehrer Gelleri, das mittlerweile erfolgreichste deutsche Regionalwährungssystem, ins Leben. Basierend auf Silvio Gesells „verderbendem“ Geld kursieren derzeit mehr als 800 000 Chiemgauer im Landkreis Rosenheim.